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Die Zunft in der Schule. Überlegungen zu didaktischen Umsetzungsmöglichkeiten mittelalterlicher Stadtgeschichte im Schulunterricht

Zusammenfassung: Der Beitrag befasst sich mit der Frage, wie mittelalterliche Zunftgeschichte im Geschichtsunterricht vermittelt werden kann. Nach einigen allgemeinen Erläuterungen zu curricularen Vorgaben erfolgt zunächst eine Darlegung der Materialien und Aufgabenstellungen zum Thema „Zunft im Mittelalter“ aus einem Schulbuch. Abschließend wird ein Konzept aus der Unterrichtspraxis erläutert.

Abstract: This article deals with the question of how medieval craft guilds can be taught in history lessons. After some general explanations of curricular requirements, the materials and tasks on the topic of ‘Craft guilds in the Middle Ages’ from a school textbook are presented. Finally, a concept from classroom practice is explained.


Einleitung

Im Jahr 2010 recherchierte ich als Student an der Universität Trier für meine Staatsexamensarbeit zum Gesandtschaftswesen der Stadt Straßburg im späten Mittelalter und wurde auf den Band von Sabine von Heusinger zu den Zünften in Straßburg aufmerksam.[1] Seither begleiteten mich die Straßburger Zünfte und auch Sabine von Heusinger über viele Jahre während meiner Promotion und als Mitarbeiter in ihrem Team. Auch als Geschichtslehrer ist für mich die „Zunft im Mittelalter“ im Unterricht noch immer präsent. Genug Gründe also, um sich mit dem zentralen Forschungsfeld Sabine von Heusingers einmal aus geschichtsdidaktischer Perspektive auseinanderzusetzen: Die Zunft in der Schule!

Mittelalterliche Stadt- und Zunftgeschichte: Curriculare Vorgaben und didaktische Umsetzungsmöglichkeiten im Geschichtsunterricht

Inhalte und Kompetenzen, die in der Schule vermittelt werden sollen, sind in den einzelnen Fächern in den Kernlehrplänen der jeweiligen Bundesländer festgelegt. Für den vorliegenden Beitrag werden exemplarisch die des Landes Nordrhein-Westfalen betrachtet. An Gymnasien in Nordrhein-Westfalen wird die mittelalterliche Stadtgeschichte in der 7. Klasse unterrichtet. Es sollen laut Kernlehrplan die „Vorteile des Lebens in der Stadt“ sowie die „Motive für die Gründung von Städten“ behandelt werden.[2] Diese allgemein ausformulierten Richtlinien ermöglichen den Lehrkräften viel Spielraum, da die Kernlehrpläne lediglich das Mindestmaß der zu vermittelnden Inhalte und Kompetenzen vorgeben. Der Kernlehrplan lässt also in Bezug auf die mittelalterliche Stadtgeschichte weitgehend offen, welche Aspekte im Detail unterrichtet werden sollen. Da die mittelalterlichen Zünfte ein wesentlicher Faktor des politischen und wirtschaftlichen Lebens in der spätmittelalterlichen Stadt waren, müssen sie auch Bestandteil eines Unterrichtsvorhabens zur mittelalterlichen Stadt sein. Eine Herausforderung des Geschichtsunterrichts ist die Vielzahl der zu bearbeitenden Themen in einem Schuljahr, weshalb diese jeweils sehr komprimiert und exemplarisch behandelt werden müssen. Für die Geschichte des Mittelalters kommt erschwerend hinzu, dass es für Lerngruppen in der 7. Klasse eine erhöhte Herausforderung darstellt, sich in diese weitgehend fremde Welt hineinzudenken.

Wie kann nun also die Zunft im Mittelalter altersgerecht in der 7. Jahrgangsstufe im Unterricht behandelt werden? Zunächst werden im Folgenden Möglichkeiten am Beispiel eines Schulbuches dargestellt. Schulbücher dienen nach wie vor als wichtige Anregung für Geschichtslehrkräfte, da sie einen schnellen und unkomplizierten Zugang zu Materialien (Quellen, Sachtexte, Bilder, Karten etc.) und Aufgabenstellungen ermöglichen. Im Anschluss wird ein Vorschlag aus meiner eigenen Unterrichtspraxis präsentiert und erläutert. Für den Geschichtsunterricht bieten sich in der 7. Jahrgangsstufe Lernsettings an, die noch einen gewissen spielerischen Charakter haben, um die Lerngruppen altersgerecht anzusprechen und zu motivieren. Für meinen eigenen Unterricht habe ich eine „Lernchronik“ entwickelt, deren didaktischer Nutzen für die Vermittlung mittelalterlicher Stadtgeschichte – konkretisiert am Beispiel der Zünfte – vorgestellt wird.

Die Zunft im Schulbuch – ein Beispiel

Exemplarisch werden im Folgenden Materialien und Aufgaben aus dem Schulbuch „Geschichte und Geschehen“ für die 7. Klasse in Nordrhein-Westfalen in den Blick genommen.[3] Im Kapitel „Städte und Handel im Mittelalter“ finden sich unterschiedliche Materialien und Aufgabenstellungen zum Thema „Zunft im Mittelalter“.[4] Zwei Verfassertexte mit den Titeln „Handwerk hat goldenen Boden“ und „Zunftmeister wollen in den Stadtrat“ informieren über Funktionen und Strukturen der mittelalterlichen Zunft (Zunftzwang, Zusammenschluss gleicher Handwerkszweige, Meister und Meisterinnen, Lehrlinge und Gesellen, Preisabsprachen, Hilfe für Mitglieder in Notsituationen etc.) sowie über politische Partizipationsbestrebungen und -erfolge im späten Mittelalter (Vertretung im Stadtrat und Konkurrenz zu den Patriziern).

In die hochdeutsche Sprache übertragene Auszüge der Zunftordnung der Straßburger Tucherzunft aus dem 15. Jahrhundert sollen den Schüler*innen Einblicke in die innere Verfasstheit einer Zunft ermöglichen. Das Buch sieht vor, dass anhand dieser Zunftordnung von den Schüler*innen Vor- und Nachteile einer Zunftordnung erarbeitet werden. Dies soll sowohl aus Sicht der Zünfte selbst als auch aus der Perspektive potenzieller Kunden*innen geschehen. Abbildungen von vier Zunftzeichen sollen konkreten Berufen zugeordnet werden. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass an diesem Beispiel Vermutungen angestellt werden, warum diese Zeichen an den Häusern der Handwerker angebracht wurden. Weiterhin wird ein Link zu einem Wikipedia Artikel über Zunftzeichen angegeben, mit dessen Hilfe weitere Zünfte recherchiert werden sollen. Auf dieser Grundlage werden die Schüler*innen aufgefordert, begründete Vermutungen darüber anzustellen, weshalb es heute einige der dort genannten Berufe nicht mehr gibt.[5]

Anhand einer Website für Handwerksartikel, auf der das Thema „Zunft“ einen breiten Raum einnimmt, soll, unter Berücksichtigung der Urheber*innen und ihrer (ökonomischen) Ziele, die Darstellung der Zunft erläutert werden.[6] Hervorzuheben ist außerdem, dass das Thema „Frauen in Zünften“ mehrfach im Buch aufgegriffen wird. So machen die Texte auf weibliche Meisterinnen und die Zünfte der Garnmacherinnen, Goldspinnerinnen und Seidenmacherinnen in Köln aufmerksam. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Material- und Aufgabenauswahl im Schulbuch „Geschichte und Geschehen“ unterschiedliche Zugänge zum Thema ermöglicht. Diese reichen von grundständigen Basisinformationen, über Quellenanalysen und Bezügen zur aktuellen medialen Werbewirksamkeit der Zunft.

Die Zunft im Unterricht. Praxisbeispiel: Die „Lernchronik“

Im Folgenden stelle ich eine Umsetzungsmöglichkeit für den Geschichtsunterricht zur Vermittlung mittelalterlicher Stadt- und Zunftgeschichte vor. Im Zentrum steht dabei ein Lernsetting, die sogenannte „Lenrchronik“. Eine „Lernchronik“ besteht aus unterschiedlichen Arbeitsblättern, welche die Schüler*innen bearbeiten und in einer Mappe sammeln. Die Arbeitsblätter sind in ihrer Anlage und Abfolge so konzipiert, dass die Lerngruppe fortlaufend verschiedene Aspekte der mittelalterlichen Stadtgeschichte bearbeitet bzw. die Schüler*innen die Geschichte der Stadt mit der Bearbeitung der Arbeitsblätter selbst „schreiben“ und so gewissermaßen zu Stadtschreiber*innen werden. Zum einen wird den Schüler*innen somit auf spielerische Weise in einem handlungsorientierten Rahmen die Chronik als Quelle nähergebracht.[7] Zum anderen erarbeiten sie in einem strukturierten und abgeschlossenen Lernarrangement Themen der mittelalterlichen Stadtgeschichte anhand unterschiedlicher Texte, Quellen, Bilder sowie Karten und werden folglich auch methodisch geschult. Die „Lernchronik“ bietet darüber hinaus viele Vorteile:

Sie ist ein Lernprodukt, das von den Schüler*innen selbst erarbeitet wird. Dies strukturiert den Unterricht und sorgt für eine gewisse Verbindlichkeit und Motivation bei Lehrenden und Lernenden. Aufgabenstellungen und Material können im Schwierigkeitsgrad je nach Leistungsstand der Schüler*innen individuell differenziert werden, wobei der Rahmen der Bearbeitung nicht verändert werden muss, sodass alle Schüler*innen am selben Lernprodukt rbeiten. Lerninhalte können aufgrund des Lernsettings gut miteinander in Beziehung gesetzt werden. So ist es beispielsweise möglich, Hinweise und Hilfestellungen zur Bearbeitung eines Arbeitsblattes der „Lernchronik“ auf den zuvor bearbeiteten Seiten unterzubringen, um so Verbindungen zwischen einzelnen Themen aufzuzeigen. Zugleich kann das bisher erarbeitete Wissen auf diese Art und Weise wiederholt und vertieft werden.

Der Aufbau einer „Lernchronik“ zur mittelalterlichen Stadtgeschichte und die beispielhafte Vermittlung des Themas „Zunft im Mittelalter“

Das vorliegende Beispiel wurde für eine 7. Klasse eines Kölner Gymnasiums entwickelt. Hierbei wurden nach Möglichkeit lokalhistorische Bezüge integriert. Die „Lernchronik“ soll das historische Vorstellungsvermögen der Schüler*innen fördern und ihnen mit einem handlungsorientierten Zugriff durch das fortschreitende Erarbeiten von Inhalten dabei helfen, das Denken und Handeln der Menschen aus ihrer Zeit heraus zu erklären, Veränderungen in der Geschichte wahrzunehmen sowie Unterschiede zwischen ihrer heutigen Heimatstadt und dem mittelalterlichen Köln zu erkennen und historisch einzuordnen.[8] Somit dient die „Lernchronik“ als Lernhilfe in vielfacher Hinsicht und gibt der Unterrichtsreihe einen orientierenden Rahmen. Die Inhalte der einzelnen Stunden (vgl. Verlaufsplan der Unterrichtsreihe unten) rden mit möglichst vielfältigem Material (darstellende Texte, Textquellen, Bildquellen, Rekonstruktionszeichnungen, Stadtpläne) erarbeitet. Der Geschichtsunterricht wird hierdurch abwechslungsreich. Ziel ist es demnach, ein breites Spektrum der zur Verfügung stehenden Materialien für die Erforschung von Geschichte vorzustellen und entsprechende Kompetenzen daran zu schulen. Insbesondere die noch wenig ausgeprägte Methodenkompetenz lässt sich so ideal fördern.

Im Sinne eines binnendifferenzierten Geschichtsunterrichts können sowohl leistungsschwächere als auch leistungsstärkere Schüler*innen über das Medium der „Lernchronik“ unterschiedlich gefördert werden. Da die einzelnen Arbeitsblätter im Regelfall inhaltliche Bezüge aufweisen und aufeinander aufbauen, bietet sich für eher schwächere Schüler*innen immer wieder die Möglichkeit, bereits behandelte Inhalte der „Lernchronik“ zu nutzen, um aktuell zu lösende Aufgaben besser bearbeiten zu können. Die „Lernchronik“ bietet die Möglichkeit, vorhandene Inhalte in vertiefenden Aufgaben miteinander zu verknüpfen und weiterführende Aufgaben zu erstellen, um leistungsstarke Schüler*innen gezielt zu fördern. Hierzu zählen etwa zusätzliche Interpretationsaufgaben, bei denen beispielsweise verschiedene Inhalte von Quellen und Darstellungen berücksichtigt und miteinander verknüpft werden müssen, um zu einem angemessenen Ergebnis zu gelangen.

Ziel ist es, die unterschiedlichen Fachkompetenzen an vielfältigem Material in einer fachlich noch unerfahrenen Lerngruppe zu fördern. Durch den gewählten Unterrichtsrahmen (Erarbeitung einer „Chronik“) sowie die Anlage einzelner Stunden mit handlungsorientierten Zugängen wird dieser Kompetenzerwerb gezielt unterstützt.

Im Folgenden ist ein beispielhafter Verlaufsplan einer Unterrichtsreihe anhand einer „Lernchronik“ zur Stadtgeschichte dargestellt:

Meine Stadtchronik

Fragestellung der Unterrichtsreihe: Wie lebten die Menschen in einer mittelalterlichen Stadt?

Themen
Merkmale der mittelalterlichen Stadt – Was macht eine Stadt zu einer Stadt? Charakterisierung zentraler Merkmale der mittelalterlichen Stadt
Stadtgründungen – Gibt es eine ideale Stadt? Erläuterung von Gründungszusammenhängen und Standortfaktoren mittelalterlicher Städte
Die mittelalterliche Stadt auf Karten – Gibt es eine typische mittelalterliche Stadt? Vergleich von Stadtplänen mittelalterlicher Städte mit idealtypischen Merkmalen und Standortfaktoren der mittelalterlichen Stadt
Köln im Mittelalter – eine bedeutende Stadt? Untersuchung der Rolle und Bedeutung Kölns am Beispiel der Kriterien Bevölkerung, Wirtschaft, Politik und Bildung
Gruppen in der Stadt I – Wie lebten Kaufleute in der mittelalterlichen Stadt? Analyse einer Rekonstruktion eines mittelalterlichen Kaufmannshauses
Die Hanse – Warum wurden Kaufleute Mitglied in der Hanse? Analyse der Gründe für den Beitritt in einen Kaufmannsbund
Gruppen in der Stadt II – Warum schlossen sich Handwerker zu Zünften zusammen? Charakterisierung von Handwerkerzünften anhand einer Analyse von Zunftwappen und Zunftordnungen
Kirchen in Köln – Warum wurden Kirchen nach Heiligen benannt? Einordnung der Bedeutung der (mittelalterlichen) Religiosität im städtischen Raum
Drei Kronen im Wappen – Warum werden die Heiligen Drei Könige im Kölner Stadtwappen dargestellt? Eine Beurteilung der religiösen und wirtschaftlichen Bedeutung der Heiligen Drei Könige für das mittelalterliche Köln
Elf Tränen im Wappen – genauso bedeutsam wie die drei Kronen? Analyse von Bildquellen zur Kölner Ursulalegende
Wie lebten die Menschen in einer mittelalterlichen Stadt? Erörterung der Vor- und Nachteile des Lebens in einer mittelalterlichen Stadt mithilfe der im Verlauf der Reihe bearbeiteten Chronik „Meine Stadtchronik“

Im Folgenden werden die Vorteile der „Lernchronik“ exemplarisch am Beispiel des Themenbereichs der mittelalterlichen Zünfte veranschaulicht. In der geplanten Unterrichtssequenz „Warum schlossen sich Handwerker zu Zünften zusammen“ (vgl. tabellarische Übersicht) sind verschiedene thematische Aspekte der Zünfte im Mittelalter enthalten. Zunächst einmal wird – ähnlich wie auch im Schulbuch – Sachwissen aufgebaut. Dies wird anhand kurzer Informationstexte und Quellen (z. B. der Zunftordnung der Straßburger Tucherzunft, s.o.) sichergestellt.

Darüber hinaus – und hier zeigt sich ein Vorteil der „Lernchronik“ – wird das Thema genutzt, um es mit anderen Aspekten der mittelalterlichen Stadtgeschichte und Inhalten der „Lernchronik“ gezielt zu verknüpfen. Für die Zünfte bietet sich in der vorliegenden Unterrichtsplanung eine Verbindung zu Stadtkarten und -plänen sowie zum Wappen der Stadt Köln an (in der tabellarischen Übersicht grau unterlegt).

Bearbeitet und bespricht man beispielsweise die oben genannte Zunftordnung der Straßburger Tucherzunft, indem man Funktionen und Aufbau einer Zunft herausarbeitet, so lässt sich der darin enthaltene Aspekt der Stadtverteidigung und -bewachung aufgreifen, um auf die in einer früheren Stunde behandelten Stadtpläne der mittelalterlichen Städte zurückzukommen. „Weiterhin ist uns zusammen mit zwei anderen Zünften eine Stelle an der Stadtmauer übergeben worden, um […] zu schließen und zu öffnen.[9] Ausgehend von dieser Quellenstelle können die Schüler*innen in einem nächsten Schritt dazu aufgefordert werden, auf der in ihrer „Lernchronik“ vorhandenen Stadtkarte nach diesen „Stellen in der Stadtmauer“ zu suchen. Im Anschluss lassen sich mit der Lerngruppe zunächst Vermutungen anstellen, was genau die Zünfte an diesen Stellen zu tun hatten und weshalb. Darauf aufbauend kann dann ein kurzer Exkurs der Lehrkraft über Stadtmauern erfolgen (z. B. kurzer Lehrervortrag mit Bildern) oder sogar ein Besuch vor Ort – sofern möglich. Somit wird nicht nur eine Verbindung zwischen den unterschiedlichen Lerninhalten hergestellt und Wissen reaktiviert bzw. gefestigt, sondern es wird zugleich die „Lernchronik“ von den Schüler*innen als Hilfsmittel des Lernprozesses wahrgenommen, da sich das Wissen verbunden mit ihren Fähigkeiten Stück für Stück aufbaut, ergänzt und verschränkt.

Die Behandlung von Zunftwappen bietet ebenfalls die Gelegenheit für eine Verschränkung von Themen, da im späteren Verlauf der Unterrichtsreihe das Kölner Stadtwappen im Fokus steht (in der tabellarischen Übersicht grau hinterlegt). Die Bedeutung der Wappen als Kennzeichnung der Zünfte und gewissermaßen Sinnbild ihrer Tätigkeit und Identität lässt sich für die Schüler*innen gut begreifbar machen, indem man ihnen die Möglichkeit gibt, zunächst selbst ein individuelles Wappen mit einem persönlichen Bezug (Eigenschaft, Interesse etc.) zu gestalten. Durch dieses handlungsorientierte Vorgehen wird den Schüler*innen vermittelt, dass Wappen im Mittelalter Bedeutungsträger waren, die Bezüge zu den dahinterstehenden Individuen bzw. Gruppen herstellten. Am Beispiel der Zünfte lässt sich dies sehr anschaulich im Anschluss an die Gestaltung des eigenen Wappens aufzeigen, da für die Lerngruppen auf den Zunftwappen eindeutige Bezüge zum ausgeübten Handwerk hergestellt werden. Daher eignen sich insbesondere die Zunftwappen für eine Einführung in das Thema „Wappen“. Im weiteren Verlauf der Bearbeitung der „Lernchronik“ lässt sich dann wiederum an dieses Wissen anknüpfen, wenn man das Kölner Stadtwappen behandelt, dessen „Entschlüsselung“ nicht auf den ersten Blick möglich ist. Da das Stadtwappen einen höheren Schwierigkeitsgrad in der Analyse hat, ist es von Vorteil, dass das Thema „Wappen“ somit bereits bei den Zünften einführend behandelt wurde. In der entsprechenden Stunde zum Kölner Stadtwappen kann dann zunächst auf das schon behandelte Thema „Zunftwappen“ zurückgegriffen werden, um grundsätzliche Eigenschaften von Wappen zu wiederholen und sich danach den Elementen und ihrer Bedeutung im Kölner Stadtwappen zu widmen.

Fazit

An diesen wenigen Beispielen sollte verdeutlicht werden, dass es sich für die Vermittlung von mittelalterlicher Stadt- und Zunftgeschichte lohnt, eine spielerische und handlungsorientierte Lernstruktur wie die „Lernchronik“ für die Schülerin*innen zu entwickeln, in der unterschiedliche Themen nicht isoliert behandelt, sondern bewusst aufeinander aufbauend und miteinander verschränkt werden, um so den Lerneffekt auf methodischer sowie inhaltlicher Ebene zu erhöhen. Wie bereits angesprochen wurde, können aufgrund der thematischen Vielfalt des Schulunterrichts und der entsprechenden Altersstufe der Schüler*innen mittelalterliche Stadt- und Zunftgeschichte nur ausschnitthaft und vereinfacht unterrichtet werden. Dieses Dilemma ist ein grundsätzliches Problem des Geschichtsunterrichts, weshalb priorisiert werden muss. Die Priorisierung im vorliegenden Beispiel orientiert sich stark an der Lernstruktur und ihren Annahmen für ein erfolgreiches historisches Lernen. Neben der Erarbeitung historischen Sachwissens und dem Einsatz unterschiedlicher Methoden innerhalb der einzelnen Themenaspekte kommt im vorliegenden Beispiel dem spielerisch-handlungsorientierten Zugang und der Frage, inwiefern Themen sinnvoll miteinander verknüpft werden können, eine hohe Bedeutung zu.

 

Alle Links zuletzt überprüft am 9. Juni 2025.

[1] Sabine von Heusinger, Die Zunft im Mittelalter. Zur Verflechtung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Straßburg (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte – Beihefte 206), Stuttgart 2009.

[2] Kernlehrplan für die Sekundarstufe I Gymnasium in Nordrhein-Westfalen. Geschichte, hrsg. vom Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 1. Auflage, Düsseldorf 2019, https://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/lehrplan/203/g9_ge_klp_%203407_2019_06_23.pdf .

[3] Geschichte und Geschehen 2, hrsg. von Michael Sauer, Stuttgart 2020.

[4] Vgl. zu den folgenden Ausführungen ebd., S. 17–20.

[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Zunftzeichen.

[6] Zunft.de, Kluft und Zunft GmbH, Hohenlockstedt, https://www.zunft.de/magazin/die-geschichte-der-zunft.

[7] Zum Unterrichtsprinzip der Handlungsorientierung vgl. Michael Sauer, Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, 13. aImktualisierte und erweiterte Auflage, Seelze 2018, S. 87–90.

[8] Zu Fragen der Perspektivität vgl. etwa Martin Lücke, Multiperspektivität, Kontroversität, Pluralität, in: Handbuch Praxis des Geschichtsunterrichts, Band I, hrsg. von Michele Barricelli und Martin Lücke, Schwalbach/Ts. 2012, S. 281–288.

[9] Geschichte und Geschehen 2, S. 19.


D O W N L O A D

(PDF/A-Version)

Empfohlene Zitierweise / Suggested Citation: Simon Liening, Die Zunft in der Schule. Überlegungen zu didaktischen Umsetzungsmöglichkeiten mittelalterlicher Stadtgeschichte im Schulunterricht, in: Festschrift für Sabine von Heusinger, hrsg. von Julia Bruch, Eva-Maria Cersovsky und Andreas Lehnertz (Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, Beihefte 5,2), S. 159–167, DOI: https://doi.org/10.26012/mittelalter-37741.


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
simonliening (31. Oktober 2025). Die Zunft in der Schule. Überlegungen zu didaktischen Umsetzungsmöglichkeiten mittelalterlicher Stadtgeschichte im Schulunterricht. Mittelalter. Abgerufen am 7. November 2025 von https://doi.org/10.58079/152mj


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